Mit Bildern tanzen

Ein Interview mit dem Editor Maximilian MerthGewinner des Förderpreis Schnitt 2017 für Sara the Dancer (Regie: Tim Ellrich).

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Sara the Dancer entwirft die Fiktion einer Google-Street-View-Kamera mit künstlicher Intelligenz und nutzt hierfür ausschließlich Street-View-Aufnahmen – das Ausgangsmaterial war damit ja unfassbar groß. Wie habt ihr die Bilder für den fertigen Film ausgewählt?

Maximilian Merth: Bei der Bildersuche haben wir zunächst versucht, auf verschiedenen Internetseiten die besten Google-Street-View-Orte zu finden. Hier konnten wir kuriose Situationen finden, wie beispielsweise den Moment, als Sara auf eine weitere Google-Kamera trifft. Alle weiteren Szenen, die etwa den Alltag von Sara bebildern, haben wir zu dritt – der Regisseur Tim Ellrich, Drehbuchautorin Lea Najjar und ich – in einer sehr aufwendigen und intensiven Suche zusammen recherchiert.

Du hast Sara the Dancer als einen Experimentalfilm beschrieben. Kannst du die Schritte dieses Experiments nachzeichnen?

Maximilian Merth: Unser Konzept war von Anfang an darauf ausgelegt, lediglich über Google-Applikationen zu kommunizieren. Die künstliche Computerstimme, über die wir Sara kennenlernen, sowie die 360-Grad-Bilder, die sie macht, haben natürlich eine stark artifizielle Wirkung. In unserer Herangehensweise haben wir von Anfang an probiert, in diesem Setting eine Emotionalität zu erzeugen. Dabei haben wir verschiedenste Ansätze ausprobiert, wie etwa eine sehr abstrakte Ebene einzuführen, die Saras Bewusstsein widerspiegelt, oder haben versucht mit Bildfehlern aus Google-Street-View zu arbeiten. Schlussendlich war uns aber ganz schnell bewusst, dass wir uns als Zuschauer durch diese Bebilderung von der Geschichte entfernen. In unserer weiteren Auseinandersetzung mit dem Film haben wir dann den Fokus auf Saras Sprache und ihren Text gerichtet.

Saras Stimme ist computergeneriert, dennoch entsteht ein Eindruck von Menschlichkeit. Wie bist du mit dem Voice-over in der Montage umgegangen?

Maximilian Merth: Um nicht allzu schnell von Saras monotoner Stimme gelangweilt zu sein, haben wir versucht, den Text möglichst knapp zu halten und ihn rhythmisch an unsere Street-View-Bilder angepasst, um hier eine klare Synchronität zwischen Bild und Ton erzeugen zu können. In einem nächsten Schritt hat uns die Musik geholfen, die jeweilige Emotion bei Sara herauszuarbeiten. Als Sara beispielsweise sagt, dass sie traurig sei und weine, war uns schnell klar, dass diese Aussage nur mit einer dementsprechenden Musik getragen werden kann.

Gab es ein richtiges Drehbuch? Wie haben sich Schreiben und Montage zueinander verhalten?

Maximilian Merth: Wie bei einem Animationsfilm im Storyboard- und Schnittprozess, haben wir an dem Schnitt sowie an dem Drehbuch gleichzeitig gearbeitet. Wie man sich vorstellen kann, ergeben sich in dieser Arbeitsweise unzählige Möglichkeiten in der Zusammenstellung des Filmes. Als Editor kennt man ja die frustrierende Situation, wenn es zu wenig Takes oder Material gibt. Hier war die Fülle an Möglichkeiten mindestens genauso erschlagend. Gute Gespräche mit dem Regisseur sowie eine klare Vision haben aber geholfen, auch in dieser Menge an Material den Überblick nicht zu verlieren.

Wohin geht es nun für dich? Wird auch der nächste Film eine experimentelle Arbeit?

Maximilian Merth: Die nächsten zwei Jahre bin ich noch in Ludwigsburg um mein Studium zu beenden. Wohin es mich danach verschlagen wird ist noch nicht ganz sicher, in dieser Hinsicht bin ich auch sehr offen. Zur Zeit arbeite ich mit dem Regisseur Manuel Rees an meinem ersten langen Dokumentarfilm. In unserem Film geht es um die transsexuelle Pfarrerin Elke und das Dorf Haldern in Nordrhein-Westfalen, das damit seine Schwierigkeiten hat.

Interview: Pascal Maslon